Der Münchner Koch Sven Christ zeigt, wie man eine Oktoberfest-Spezialität wie die Dampfnudel in einer ganz normalen Küche selber macht.
200 ml Milch erwärmen, die Butter darin weich werden und die Mischung handwarm abkühlen lassen. Mehl, Hefe, 40 g Zucker und Salz in einer Rührschüssel vermischen, das Ei und die Butter-Milch-Mischung zugeben, alles mit dem Knethaken fünf Minuten lang zu einem glatten Teig verkneten. Den Teig abgedeckt an einem warmen Ort eine Stunde gehen lassen. Den Teig zu einer Rolle formen und in acht Stücke zerteilen, diese zu Knödeln formen (bei Bedarf füllen) und weitere 20 Minuten gehen lassen.
Die restliche Milch mit dem Zucker und der Butter in eine tiefe, beschichtete Pfanne geben und schmelzen, die Dampfnudeln dazugeben, mit einem Deckel abdecken und bei mittlerer Hitze ca. 25 Minuten garen, dabei den Deckel auf keinen Fall anheben, sonst fallen die Dampfnudeln zusammen. Nach der Garzeit ist die Flüssigkeit von den Dampfnudeln vollständig aufgenommen und die Unterseiten der Nudeln sind herrlich karamellisiert.
Milch oder Sahne mit dem Zucker aufkochen, die Vanilleschoten längs halbieren und das Mark herauskratzen und dieses in die Milch geben (die ausgekratzten Schoten kann man mit Zucker in einem Glas aufbewahren). Die Stärke in etwas kaltem Wasser lösen und in die Milch geben. Dann die Eigelbe dazugeben und alles mit einem Stabmixer gut durchmixen. Die Soße noch einmal aufkochen und dann durch ein Haarsieb streichen. Die restliche Vanillesoße in einem verschließbaren Glas im Kühlschrank aufbewahren (aber ich bezweifle, dass es so weit kommt).
Der Bayer kennt seine Hauptspeisen nicht nur herzhaft, die süße Hauptspeise hat es ihm auch angetan. Hauptspeise, weil Gerichte wie Rohrnudeln, Apfelmaultaschen und verschiedene Schmarren in ihrer Opulenz nicht mehr als reines Desserts oder Süßigkeit durchgehen. Die Zutaten verweisen wie immer auf die Landwirtschaft in Bayern: Mehl, Milch, Obst, Eier. Von allem ist genug vorhanden, und an Feiertagen wird die Vanilleschote aus dem Kästchen gezogen, die wertvolle Importware aus dem Kolonialwarenladen. Momentan kann man wieder erahnen, wie teuer Vanille früher gehandelt wurde, in den Glasröhrchen, in denen noch vor fünf Jahren zwei Schoten steckten, ist mittlerweile nur noch eine zu finden, zum selben Preis.
Als ich als Koch endlich gelernt hatte, diese selbst herzustellen, legte ich den inneren Eid ab, nie wieder ein Packerl aufzureißen, auch nicht aus Faulheit, der Unterschied ist wie Tag und Nacht.
Vanille ist derzeit nach Safran das teuerste Gewürz der Welt, aber das ist immer noch kein Grund, sie nicht für eine echte Vanillesoße zu verwenden. Als ich als Koch endlich gelernt hatte, diese selbst herzustellen, legte ich den inneren Eid ab, nie wieder ein Packerl aufzureißen, auch nicht aus Faulheit, der Unterschied ist wie Tag und Nacht, Schwarz oder Weiß, BMW oder Honda Civic. Sie ist mit wenigen Handgriffen herzustellen, jeder einzelne Handgriff sollte es wert sein. Es ist der Dotter, der die Vanillesoße so gelb macht, nicht die Schote – spätestens nach dieser Erkenntnis sollte einem ein Licht aufgehen. Statt Stärke und Farbstoff das Fett aus dem Dotter, die kräftige Farbe, dazu Vanille … wer jetzt noch nicht überzeugt ist, der muss es halt ausprobieren.
Unsere Oktoberfestsüßspeise ist die Dampfnudel, die hat man mit der Oma im Kaffeezelt zu sich genommen, ein Haferl Kaffee mit geschlagener Sahne, der Onkel hat ein Weißbier dazu getrunken, denn Bier und Süßspeisen passen in Bayern selbstredend hervorragend zusammen, weil die Süßspeisen so mächtig sind, dass sie es als Unterlage locker mit Hendl, Haxe und Steckerlfisch aufnehmen können. Wir Kinder haben uns die Dampfnudeln geteilt, weil die Dinger so groß waren wie unsere Köpfe und die Eltern auch die Begleiterscheinungen von Hefe in unseren zarten Kindermägen in Kombination mit Limo und vielen anderen Extras in Schach halten wollten.
Wir Kinder haben uns die Dampfnudeln geteilt, weil die Dinger so groß waren wie unsere Köpfe.
Sonst gab es Dampfnudeln immer nur bei der Oma oder älteren Verwandten in Küchenkitteln, das Gericht galt als alt, so schwer wollte man nicht mehr essen. Ich kann mich nur an ein einziges Mal erinnern, dass meine Mutter welche gemacht hat, damals muss mein Opa zum Essen da gewesen sein, und der hat sich nicht nur selbst eingeladen, sondern auch kommandiert, was er essen wollte. An dem Tag hatte er wohl Lust auf Dampfnudeln. Ich erinnere mich auch gut an den Tag, als er mit einem Leiterwagen vorbeikam, in dem ein Reh lag. Es war so früh morgens, dass wir noch nicht auf dem Weg in die Schule waren, da kam er mit dem Reh und sagte, er möchte gern ein Rehragout zu Mittag, das gab es dann auch, mit Semmelknödeln und Preiselbeeren.
Die Dampfnudel, eng verwandt mit dem böhmischen Knödel, ist ein süßer Hefeteigknödel, der ausschließlich im Dampf gegart wird. Man kann ihn füllen, am besten mit Zwetschgenröster, Mohn oder Beerenkompott, aber noch wichtiger ist – wie schon erwähnt – die Vanillesoße, ohne die die Dampfnudel einfach nicht rutscht. Nicht zu wenig also, eine Kelle pro Teller, sollte es schon sein. Ganz verrückt kann man auch noch in Butter geschmolzene, leicht karamellisierte Semmelbrösel auf die Dampfnudel geben, nur einen kleinen Löffel. Es sind diese Raffinessen, die die bayerische Küche schön machen und das Kind in mir wecken.
Ganz verrückt kann man auch noch in Butter geschmolzene, leicht karamellisierte Semmelbrösel auf die Dampfnudel geben, nur einen kleinen Löffel.
Es ist ewig schade, dass die bayerischen Süßspeisen zu einem alpinen Hüttenessen verkommen sind und dort ihr Jausendasein fristen, ja, ganz ungerecht! Im Sommer, im Herbst und im Winter wärmen uns diese Gerichte, und sie sollen nicht ungerecht von Tiefkühlapfelstrudel und Kaiserschmarren verdrängt werden. Die Gerichte spiegeln unsere Jahreszeiten, und wenn wir heutzutage mehr im Homeoffice als in der Werkstatt, im Wald und auf dem Feld sind und deshalb nicht mehr so viel Kalorien verbrauchen, können wir stattdessen kleinere Portionen essen und Freunde einladen. Rettet die Dampfnudel!